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Leseprobe

Hallo, ich bin´s!


Da saß ich also und hielt meine Tochter in den Armen. Sie wog fast vier Kilo, und da es doch einige Zeit dauerte, bis meine Frau auch die Nachgeburt überstanden hatte und mir mit ihrer ganz offensichtlich angeborenen Professionalität in solchen Dingen, die uns Männern scheinbar fehlt (zumindest mir!), helfend beistand, versuchte ich, die anfangs ziemlich verkrampfte Haltung aufzugeben und es für uns beide ein wenig gemütlicher zu machen. Ich legte Judith, für diesen weiblichen Vornamen hatten wir uns längst entschieden, daher auf meine Oberschenkel, wo es ihr tatsächlich zu gefallen schien, denn innerhalb kurzer Zeit war sie friedlich eingeschlummert.
Also hatte ich jede Menge Zeit, sie zu betrachten. Natürlich war sie das schönste Baby, das sich ein Mensch nur vorstellen kann. Aber das war ja ohnehin klar. Besonders faszinierten mich die vielen Haare, die sie auf dem Kopf hatte und die so dunkel waren, dass sie fast ein bisschen bläulich schimmerten.
Während ich mich am Anblick des schlafenden Säuglings gar nicht satt sehen konnte, öffnete Judith plötzlich die Augen und starrte mich an. Konnte sie mich sehen? Mein Verstand sagte nein, mein Gefühl aber etwas ganz anderes. Dieser Blick konnte nur bedeuten, dass sie mich sehr wohl ganz genau beäugte. Der soll mein Vater sein? Mehrere Augenblicke lang schien sie sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen – um schließlich eine Entscheidung zu treffen, mit der es sich sehr gut leben ließ. Denn auf einmal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht und gleichzeitig hob sie den rechten Arm zum Gruß, um gleich darauf wieder einzuschlafen. Aber ich hatte ihr „Hallo, Papa, ich bin´s!“ schon verstanden. Ich fühlte mich überglücklich, denn soeben war meine Tochter bei mir angekommen – und ich bei ihr.

Papperl


Meine Frau und ich haben den Namen Judith für unsere Tochter unter anderem auch deshalb ausgesucht, weil es uns wichtig war, dass er sich nicht so ohne Weiteres verkürzen, umformen oder gar verballhornen lassen würde. Wir wollten jedenfalls keine Liesl, Resl, Traudl oder dergleichen.
Trotzdem blieb es natürlich nicht aus, dass wir selber dann immer wieder zu diversen Kosenamen für Judith griffen. So war sie eben manchmal unser Schatz, Schatzerl, Schatzi oder Mauserl.
Als ich sie wieder einmal ziemlich unbedacht mit dem zuletzt genannten Unwort anredete, protestierte die Fünfjährige lautstark und sagte: „Papa, sag nicht immer Mauserl zu mir! Ich heiße Judith! Ich sag ja auch nicht Papperl zu dir, oder?“
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